Erneuerung durch den Heiligen Geist

Auszug aus der Broschüre zur Gründung der GGE 2003, „Geistliche Gemeinde-Erneuerung (GGE) im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland“, S. 20–30.

 

1. Theologische Gesichtspunkte

von Heiner Rust (1953–2024)

Geistliche Erneuerung ist ohne den Heiligen Geist nicht denkbar, ge­schweige denn erfahrbar! ln der GGE werden die unterschiedlichen Kernanliegen zwar gesondert erläu­tert und betont, sie hängen jedoch al­le sehr eng miteinander zusammen. Die Erneuerung durch das Wort Got­tes z. B. ist ohne eine Erneuerung durch den Heiligen Geist nur schwer nachvollziehbar.

In der GGE im Bund Evangelisch­-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland nehmen wir u. a. auch die Grundanliegen des bisherigen Arbeitskreises „Gemeinde & Charis­ma“ auf. Der Arbeitskreis hat sich über viele Jahre hinweg bemüht, die Lehre vom Heiligen Geist in unseren Gemeinden zu stärken und auch zu einer gesunden Praxis der Gaben des Heiligen Geistes beizutragen. Einige Akzente einer Lehre vom Heiligen Geist (Pneumatologie) sollen hier deshalb noch einmal zur Sprache kommen.

 

1. Vom Wesen des Heiligen Geistes

Gott offenbart sich als Vater, Sohn Jesus Christus und Heiliger Geist. Wesen und Wirken des Heiligen Geistes sind somit auch immer im Zusammenhang mit dem Wesen und Wirken des Vaters und Sohnes zu se­hen; d. h. die Lehre vom Heiligen Geist ist immer auch eingebettet in die Lehre von der Trinität Gottes.

Nun gibt es jedoch immer noch das Verständnis, dass der Geist Gottes sozusagen den geringsten Stellenwert habe, gegenüber Gott-Vater und Gott-Sohn. Zuweilen begegnet uns geradezu eine Angst davor, man kön­ne den Heiligen Geist zu sehr beto­nen und dann Jesus, den Sohn Gottes, vernachlässigen.

Vater, Sohn und Geist sind jedoch niemals im Sinne einer Rangordnung zu erfassen, sondern sie bilden eine Einheit untereinander. Ein Stufen­denken entspricht nicht der bibli­schen Offenbarung.

„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.“ Apg 1,8

Der Heilige Geist ist eine analogielo­se Größe. Er ist ein Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit. Ähnlich wie Vater und Sohn hat auch der Heilige Geist personhafte Züge (Röm 8,14; Joh 16,13; Joh 14,26; Apg 13,2; Apg 16,6-7; Röm 8,26; Eph 4,30).
Unsere Anbetung richtet sich an den dreieinen Gott. Die Anbetung des Geistes Gottes ist biblisch belegt (Joh 4,24).

Der Geist Gottes wirkt von Beginn der Schöpfung an (1Mose 1,2), durch die Zeiten hindurch und ist seit Pfingsten „ausgegossen auf alles Fleisch“ (Apg 2,17). Jesus verheißt den Heiligen Geist als Parakleten, als Beistand. Der Geist Gottes bringt das neue Leben aus Christus zu den Menschen. Durch den Heiligen Geist erfüllt wirkt Christus in den Men­schen weiter in dieser Welt.

 

2. Das evangelistische Wirken des Heiligen Geistes – Jesus Chri­stus für uns

Der Geist Gottes wirkt umfassend als der Schöpfergeist in der gesamten Schöpfung, d.h. er wirkt nicht nur bei Christen. Dennoch wird im Neu­en Testament sehr klar, dass das Grundanliegen, den Menschen neu in die Gemeinschaft mit Gott zu führen, vorrangig vom Geist Gottes vorange­trieben wird. Der sich von Gott durch die Sünde entfremdete Mensch mag noch eine Gottesahnung, ja viel­ leicht sogar ein Gottesverlangen ha­ben, er wird jedoch ohne die Wir­kung des Heiligen Geistes keine grundlegende Erkenntnis über seinen Sündenzustand bekommen.

Erst der Heilige Geist überführt die Menschen in Bezug auf Sünde (Joh 16,8f). Sie bekehren sich zu ei­nem Leben unter der Herrschaft Jesu Christi. Das neue ewige Leben wird durch den Heiligen Geist versiegelt (Eph 1,13), es ist das eigentliche Charisma (Röm 6,24).

Diese Initiation des ewigen Lebens in den Menschen wird im Neuen Te­stament mit unterschiedlichen Be­griffen bezeichnet (z.B. ,,neu geboren werden“ oder „zum Glauben kommen“). Ohne den Heiligen Geist ist es einem Menschen nicht möglich, das neue Leben zu empfangen. Buße, Glaube, Wassertaufe und der Empfang des Heiligen Geistes gehören an den Anfang eines Lebens in der Nachfolge Jesu Christi (Apg 2,38). Im NT werden wiederum unterschiedliche Begriffe für den Empfang des Heiligen Geistes verwandt („erfüllen“, Apg 2,4; „empfangen“, Apg 2,38; der Heilige Geist „fällt“ auf eine Versammlung, Apg 10,44; er wird „ausgegossen“, Apg 10,45, oder Menschen werden mit dem Geist Gottes „getauft“, Joh 1,33, 1Kor 12,13).

„In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“
(Eph 1,13-14)

Der Zugang zu der Wirklichkeit des Heiligen Geistes ist gegeben in der Bitte um den Heiligen Geist (Lk 11,13). Die Apostel legen Wert darauf, dass zu einer Neugeburt in Christus Buße, Glaube, Taufe und Geistempfang gehören. Während uns das neutestamentliche Zeugnis nicht davon berichtet, dass ungläubige Menschen die Glaubenstaufe empfangen, gibt es doch Hinweise dar­auf, dass der Empfang des Heiligen Geistes auch nach der Glaubenstaufe oder vor einer solchen geschehen kann (Apg 8,16; Apg 10,47). Durch die Umkehrerfahrung der Neugeburt gehört ein Mensch zur Gemeinde Je­su Christi, die in der Ortsgemeinde konkret erfahrbar ist. Eine ausgeprägte Lehre einer mehr­stufigen Heilserfahrung finden wir im Neuen Testament nicht.

Während in den Gemeinden des BEFG die Bekehrung und die Taufe als bewusster Akt des Glaubens ver­standen werden, wird der Empfang des Heiligen Geistes weder lehrmä­ßig noch erfahrungsgemäß genügend bewusst gemacht, sodass es häufig zu Verunsicherungen kommt. Eine Hilfe sehen wir darin, wenn bei der Glaubenstaufe unter Handauflegung um die Ausrüstung mit dem Heiligen Geistes erwartungsvoll gebetet wird.

 

3. Das heiligende Wirken des Heiligen Geistes – Jesus Chri­stus in uns

Durch die lnnewohnung des Heiligen Geistes wird ein Christ zunehmend in seinem Wesen, Charakter und ge­samten Leben geprägt. Paulus spricht in diesem Zusammenhang von der Frucht des Heiligen Geistes.

„Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“
Gal 5,22

Auch die Redeweise von „Christus in uns“ entspricht dieser Grunderfahrung, die in der Nachfolge Jesu konkret wird. Christen werden „gleichwie Christus“ in Leidenszusammenhänge geführt und zugleich in die Erfahrung der überwindenden Auferstehungskraft Christi. Christen werden an diesem Wesen Jesu von Nichtchristen erkannt; auch die Glaubwürdigkeit und missionarische Kraft ihres Lebenszeugnisses wird an dem Maß der Heiligung gemessen (Mt 5,16; Joh 13,35).

Diese Verwandlung in das lmago [Bild] Jesu Christi (2Kor 3,18) wird vom Menschen dadurch gefördert, indem er die Gemeinschaft mit Christus dauerhaft sucht und in der Gemein­schaft der Kinder Gottes (Gemeinde) HiIfe und Korrektur erfährt.

 

4. Das charismatische Wirken des Heiligen Geistes – Jesus Chri­stus durch uns

Durch die lnnewohnung des Heiligen Geistes im Christen wird dieser mit Gaben ausgerüstet, die ihn befähi­gen, im Namen Jesu zu handeln. Die aufgelisteten neutestamentlichen Charismen (Röm 12; 1Kor 12; Eph 4) bilden dabei das biblisch belegte Vorkommen. Einzelne Gaben des Heiligen Geistes waren in unter­schiedlichen Epochen der Kirchen­geschichte auch unterschiedlich ver­treten. Ein Aufhören einiger Charis­men wie z.B. Prophetie, Glossolalie (Sprachen) oder Kraftwirkungen nach dem Entstehen des biblischen Kanons kann nicht nachgewiesen werden. Vielmehr erscheint es, dass gerade in den letzten Jahrzehnten weltweit eine Wiederentdeckung al­ler neutestamentlicher Charismen von Bedeutung für die Mission und den Gemeindeaufbau ist.

Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet!
1Kor 14,1

Jeder Christ soll danach streben, dass die Gaben des Heiligen Geistes sich in seinem Leben entfalten.

Der Geist Gottes bewirkt die Bega­bungen; sie sind nicht erlernbar und unterschiedlich in den einzelnen Christen ausgeprägt. Es ist nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes nicht auszumachen, dass die Gabe der Glossolalie [Sprachengebet] allen Christen ge­schenkt sei; dennoch wird ihre hohe Wertschätzung zum Ausdruck ge­bracht (1Kor 12,11; 12,31;14,5).

Die Charismen dienen sowohl dem Gemeindeaufbau als auch in der Evangelisation und Mission. Dabei ist der Gefahr zu wehren, dass sich einzelne Christen aufgrund ihrer Be­gabungen über andere erheben. Alle Gaben sind zum Dienst gegeben, auch wenn aufgrund der charismati­schen Begabungen einzelne Men­schen in Leitungsdienste (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten, Lehrer) gestellt sind (Eph 4,11). Auch können die Begabungen in un­terschiedlichen Lebenssituationen ei­ne verschiedene Ausprägung bekom­men. Jemand, der in einer Phase sei­nes Dienstes mit diakonischen Bega­bungen Erfahrungen macht, kann später auch als Evangelist tätig werden (z.B. Stephanus). Der Träger ei­ner Gabe muss um seine Korrektur­ und Ergänzungsbedürftigkeit in der Gemeinde wissen. Es gilt das Motto: Jeder in der Gemeinde hat etwas, aber niemand hat alles!

Charismen müssen im Geiste Christi Anwendung finden, d.h. die Gaben und die Frucht des Geistes gehören zusammen. Das Maß der Heiligung ist jedoch nicht Voraussetzung zum Empfang der Gaben, entscheidet aber in einem erheblichen Umfang über den Wert, und damit über die Frucht der angewandten Gaben. Cha­rismen ohne Ausrichtung auf den Gekreuzigten und ohne Liebe als Ba­sis sind „Fleisch“ im Gewand geistli­chen Anspruchs. Sie wirken beklem­mend und binden an bestimmte Prak­tiken oder Menschen anstatt an den Herrn Jesus Christus. Andererseits gilt, dass die Frucht des Geistes ohne die Anwendung der Gaben einem ungenutzten, nicht zum Einsatz ge­langenden Kapital gleicht.

 

5. Das pädagogische Wirken des Heiligen Geistes – Jesus Chri­stus vor uns

Die Innewohnung des Heiligen Gei­stes ermöglicht es dem Christen, die „Stimme Gottes“ wahrzunehmen (Joh 10,28; Apg 13,1-2; Offb 2–3). Niemals wird der Geist Gottes die Offenbarung Gottes in Jesus Christus – wie sie uns im biblischen Zeugnis vorliegt – ersetzen, ergänzen oder aufheben, sondern immer bestä­tigen. So ist das biblische Zeugnis auch Maßstab für alle Prüfung von prophetischen Weisungen und Of­fenbarungen. Der Geist Gottes will jedoch durch Konkretionen und Wegführungen die Gemeinde Jesu „in alle Wahrheit führen“.
Auch das prophetische Reden soll in der Gemeinde Jesu nicht missachtet werden, sondern geprüft werden (1Thess 5,19).

„Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.“
Joh 16,13-14

 

6. Von der Verantwortung der Gemeinde Jesu – „Den Geist löscht nicht aus!“

Die Gemeinde Jesu lebt in der Nach­folge Christi in einer völligen Ab­hängigkeit vom Heiligen Geist. Der Geist Gottes setzt auf die Kooperati­on. Die Gemeinde kann den Heiligen Geist jedoch auch betrüben oder gar auslöschen (1Thess 5,18).

„Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.“
Eph 4,30

Das kann durch Ungehorsam gegen­über dem Wort Gottes oder auch durch Lauheit geschehen. Eine passive Offenheit ist zu wenig; es geht um ein aktives Miteinander (vgl. Eph 5,18-20). Vielfach hören wir, dass Christen sagen: ,,Ich bin offen für den Heiligen Geist“. Damit ist das aktive Wollen und Streben zu wenig zum Ausdruck gebracht. Wir müssen uns mit allen Kräften danach aus­strecken, dass der Heilige Geist unter uns völlig frei wirken kann, ja, dass er mit uns machen kann, was er möchte. Das ist mehr als eine passive Offenheit!

Der Geist Gottes wird unter uns da­durch gefördert, indem er nicht ge­hindert wird. Er soll willkommen sein in unserem persönlichen Leben und im Leben der Gemeinde und darüber hinaus in dieser Welt.

Dr. Heinrich Christian Rust

 

2. Zur Praxis der Geistesgaben

von Gerda Krüger

„Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“
1Kor 12,4-6

Erneuerung aus dem Geist wird kon­kret da lebendig, wo sie im Alltag vor Ort Raum bekommt, sich zu ent­falten. Ich möchte mich schwer­ punktmäßig darauf beschränken, dar­über zu berichten, wie wir das Han­deln des Heiligen Geistes durch sei­ne Gaben in unserem Dienst in der Seelsorge, sowohl in Einzel- und Gruppengesprächen als auch auf Ge­meindeseminaren und Tagungen, er­leben.
Begegnung mit dem Heiligen Geist bedeutet für mich, Erfahrungen mit der Gegenwart und Realität Gottes zu machen. In der Seelsorge, wie wir sie verstehen, bitten wir Gott um die Zurüstung mit seinen Gaben und um die Weisheit, damit umzuge­hen.
Einige Beispiele sollen das verdeutli­chen: Exemplarisch greife ich die Gabe der Erkenntnis, die Gabe der Geisterunterscheidung und der Hei­lungen heraus.

 

a.) Die Gabe der Erkenntnis

Vor einigen Jahren kam ein sehr ge­pflegter Geschäftsmann zum Ge­spräch. Kurz vor dem Abschied wies mich Gott darauf hin, ich solle ihm ein bestimmtes Buch aus meinem Regal geben. Der Autor beschrieb darin u. a. sehr eindrücklich seine Arbeit mit Suchtmittel-Abhängigen und Obdachlosen. Für mich und mein Gegenüber war es unverständ­lich, weshalb ich ihm gerade dieses Buch geben sollte, denn es passte weder in den Zusammenhang des Gesprächs, noch hatte es etwas mit seinem Leben zu tun. Wenige Jahre später berief ihn Gott durch diverse Schritte und Führungen in einen geistlichen Dienst, in dem er auch solch eine Arbeit aufbaute und leite­te.

Meist erleben wir

  • Erneuerung eines Menschen in bestimmten Bereichen oder in sei­ner Lebensgestaltung durch diese Gabe der Erkenntnis.
  • Dadurch sind oft auch Auswir­kungen auf seine Ehe und Familie erkennbar.
  • Bei vielen Menschen wirken sich persönliche Veränderungen auch auf Hauskreis, Gemeinde oder an­dere Dienste aus.

 

b.) Die Gabe der Geisterunterscheidung

Bei einem größeren Seminar hatte ei­ne Person während des Gebetes den Eindruck, dass eine Frau unter den Teilnehmern sei, über deren Leben ein Schatten liege, den Gott wegneh­men wolle. ln dem Moment rannte eine Frau hinaus. Als sie mit ihrem Mann zurückkam, baten wir Gott, sie von einer Verfluchung zu lösen, die über ihrem Leben lag und die sie empfand. Wir wussten nicht, dass dieses Ehepaar seit neun Jahren kin­derlos verheiratet war und schon lan­ge um Kinder betete. Nach diesem Gebet bekamen sie noch im gleichen Jahr Zwillinge. Für viele, die sie kannten, war das Eingreifen Gottes sehr konkret und ermutigend, den Heiligen Geist doch zu bitten, auch solche Belastungen zu zeigen. Und wir erlebten seit der Zeit gerade bei Kinderwunsch eine ganze Reihe von Gebetserhörungen.

 

c. Die Gabe der Erkenntnis und Heilung

Bei einer Veranstaltung von Gemein­de & Charisma im Regionalkreis hatte ich ein Impulsreferat zu halten und suchte während des Lobpreises noch schnell nach meinem zweiten Blatt. Währenddessen machte Gott mir deutlich, ich solle nach vorne gehen und nur ein bestimmtes Wort sagen. Ich war unruhig und sagte nur: „Ja, ja, Herr, wo ist mein Blatt?“ Nachdem ich spürte, dass es jetzt dran sei, ging ich nach vorne und sagte einfach nur das Wort „komm“ und setzte mich. Der Lobpreis ging weiter. Als ich mich nach dem Referat hinsetzte, merkte ich erst, wie komisch das war, nur so ein Wort zu sagen. Ich fühlte mich blamiert. Ich weiß nicht mehr, war es unmittelbar danach oder in der Pause, als eine Person nach vorne kam und sagte, dass sie genau während dieses Wortes geheilt wurde. Einer der Pastoren gab noch ein paar klärende Worte dazu, mir aber war klar: Es drängt Gott, sich zu offenbaren und Menschen deutlich zu machen, dass er verwandeln will, unter uns Raum haben möchte und das unabhängig von unserer Klugheit oder von aufwändigen Aktivitäten.

In vielen Fällen sind Erfahrungen mit dem Geist Gottes und Erneuerung unmittelbar an den Gehorsam geknüpft, ob wir es verstehen oder nicht.

Ein Beispiel: Ich stieg in einen Zug ein und dachte mir, dass doch viele Leute gerade im Zug Erfahrungen mit Gott machen, ich das aber noch nie so konkret erlebt habe. Wenige Minuten später sprach mich eine eher zurückhaltende, gepflegte Dame an. Sie saß mir gegenüber und war offenbar in großer Not. Ich hatte nur noch zwei Stationen zu fahren. Sie war Muslimin und ich sagte ihr, ich könne lediglich meinen Gott bitten, ihr zu helfen. Ich nahm ihre Hände in meine. In dem Moment berührte Gott sie mit dem Heiligen Geist. Sie weinte laut und auch ihr Körper wurde bewegt. Die Mitreisenden schauten alle betreten weg. Nach einer Weile wurde sie ruhig. Wir standen dann im Gang und bevor ich ausstieg, erzählte sie mir voller Begeisterung von den Engeln, die mein Gott ihr geschickt habe und an die sie ihre Not abgeben konnte. Ich konnte ihr nur noch sagen, in welche Gemeinde sie in ihrer Stadt gehen könne. – Gerade durch Menschen, die aus Kreisen kommen, die Gott nicht kennen, geschieht nach einer persönlichen Erfahrung mit Gott und seinem Heiligen Geist viel Erneuerung in der ganzen Familie.

 

Erfahrungen mit den Gaben Gottes bewirken aber nicht automatisch Heiligung in einem Leben.

Beispiel: Saul wurde bei der Salbung zum König und der Erfahrung der Gabe der Prophetie sehr stark mit Gott in Berührung gebracht und ist doch durch die ungeheilten und ungeheiligten Lebensbereiche in Fallgruben und zum Scheitern seiner Lebensberufung gekommen.

 

Wie kann nun Wachstum der Gaben Gottes im persönlichen Leben und damit auch in der Gemeinde geschehen?

Beispiel: In unserem Rundbrief ist ein Bericht von einer Journalisten, die kurz bevor sie in eine unserer Gruppen kam, Gott um die Gabe des prophetischen Gebetes bat. Darin wurde sie von den anderen Teilnehmern unterstützt. Zunächst spürte sie keine nennenswerten Auswirkungen. Während der Gruppeneinheiten und im hörenden Beten merkte sie, dass Gott gerade ihr zunehmend mehr Bilder und Impulse schenkte. Indem sie diese aussprach und sich damit auch gleichzeitig der Korrektur stellte, erlebte sie, dass Gott an den anderen handelte. Diese beiden Bereiche: Korrekturbereitschaft und wachsende Sicherheit bewirken den Mut, auch in einem größeren Kreis, etwa in einem Hauskreis, Dienstkreis oder einer Gemeinde, das zu sagen, was man von Gott vernommen hat.

Gottes Geist braucht Raum zur Entfaltung in einer Gemeinde. Umfassende Lehre kann hier eine große Hilfe sein.

 

Unsicherheiten und Ängste sind oft hinderlich auf dem Weg, Erfahrungen mit dem Heiligen Geist im persönlichen oder Gemeindeleben zu machen.

Beispiel: Stellen wir uns einen Käfig mit einer weißen Maus vor. Was hat der Heilige Geist nun mit dieser weißen Maus zu tun? Die kleine Maus ist in der Regel faszinierend, lebendig, interessant, aber ganz harmlos. Sie ist absolut unter Kontrolle. Schon wenn wir dieses kleine Stückchen Leben in Form einer weißen Maus in diesem Raum losließen, würde es einiges in Bewegung bringen. Oft machen wir uns mehr Gedanken, aufgrund von Gerüchten und Ängsten, wie wir den Heiligen Geist kontrollieren können, damit es ja nicht zum Überschwang kommt – bevor er überhaupt Raum in uns bekommt. Wir schenken ihm einen kleinen, harmlosen „Käfig“: Ein paar Lob­preislieder (weil sie ja schließlich fast in jeder Gemeinde gesungen werden); mal eine Segnung nach dem Gottesdienst oder Zeugnisse über eine Gebetserhörung. Wir möchten die Garantie, dass der Heili­ge Geist wirklich nur das tut, was uns ungefährlich und überschaubar erscheint, denn das Wirken des Heiligen Geistes können wir als sehr positiv erle­ben, aber auch als außerordentlich unangenehm empfinden.

Beispiel: Bei einzelnen Seminaren in Gemein­den wurde uns deutlich, dass wir Gott bitten sollten, dass er die Schuld von sexuellem Missbrauch aufdeckt, wo diese Gemeinde davon belastet ist. Manchmal hat er es auch getan, während dieser Tagung oder kurz danach. Wisst ihr, was das für Pastoren und Älteste bedeutet, wenn solche Erfahrungen in der Gemeinde ans Licht kommen?

 

Was kann das Wirken des Heiligen Geistes hindern?

Ich glaube, dass einer der markante­sten Hintergründe (neben der Schuld) die Angst ist. Bei mir ist es die Angst, mich zu blamieren; bei anderen die Angst, die Kontrolle nicht mehr zu haben, Menschen zu verlieren, als extrem zu gelten; aber auch Schuld und Ungehorsam, Bela­stungen unterschiedlichster Art, religiös einengende Formen, Festhalten an Traditionen, die wichtiger sind als Gottes Handeln. Hinzu kommen kön­nen natürlich oft Enttäuschungen und Fehler, die bei dem Umgang mit den Gaben Gottes gemacht wurden; Ver­letzungen oder der Wunsch, lieber doch alles selber zu machen.

 

Was kann sich förderlich auswir­ken?

  • eine umfassende biblische Lehre
  • konkrete Gebete um die Gaben des Heiligen Geistes
  • hilfreicher Raum, die Gaben zu praktizieren, d.h. sowohl Förde­rung, Korrektur beim Praktizieren dieser Gaben als auch Heiligungs­prozesse, etwa in Gehorsam, De­mut, Buße und Hingabe.

Bei einem Seminar von John Paul Jackson über das Praktizieren des prophetischen Betens in der Gemein­de fielen mir drei Schwerpunkte auf:

  • Die Gaben und geheiligter Le­bensstil gehören zusammen.
  • Die Gaben müssen eine Einbin­dung innerhalb der Gemeinde er­fahren.
  • Die Korrektur der Gaben ist not­wendig, weil niemand unfehlbar ist.

 

Wie können wir nun Gott um den Heiligen Geist und Seine Gaben bitten?

Darf man den HeiIigen Geist über­haupt direkt anreden? Darf man dar­um in der Gemeinde bitten?

Diesbezügliche Gebete sind uns in den „Gemeindeliedern“ [Liederbuch von 1978, Anm.] überliefert worden:

  • ,,O komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein. Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Gieß aus Dein heilig Feuer …“
  • ,,Komm, o komm, Du Geist des Lebens, wahrer Gott von Ewig­keit …“
  • ,,O Heil‘ger Geist, kehr bei uns ein und lass uns Deine Wohnung sein …“
  • ,,Geist der Allmacht, herrsche in uns, richte Dir den Tempel ein in unserer Brust“

Der Erneuerung durch den Heiligen Geist Raum zu geben, wenn wir es ernst meinen, kann zur Existenzfrage werden; zu einer Herausforderung zu neuen, markanten Schritten im per­sönlichen Leben und in der Gemein­de. Manchmal müssen wir auch ei­nen bestimmten Preis dafür zahlen. Dieser wird in unseren Kreisen sel­ten von außen gefordert, sondern meist von den Geschwistern, die eine andere Einstellung haben. Aber dieser Weg ist eine Möglichkeit, neue, konkrete Erfahrungen mit dem le­bendigen Gott zu machen.

Gerda Krüger

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